This is the yet unfinished story of a German - Spanish couple with five children who left their home in Germany to widen their horizon at the other end of the world - New Zealand. They moved from Mainhardt (Lkr Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg) to spend 2+ years in Thames (Coromandel, Waikato, North Island) in September 2010.
Samstag, 15. März 2014
Im Krankenhaus II
OK, now I have started as a doctor in the hospital again.
I am a registrar, or RMO, for rural hospital medicine. I don't know how much this tells you. A registrar is a doctor after graduation and heading for a certain speciality status – usually after the first two years of work as an SHO, I believe. The SHO, “senior house officer”, comes lowest in the hierarchy, then the RMO, and then the consultant (the specialist).
I am supposed to do a mix of work in the emergengy department, on the ward, in theatre, and performing ETT (exercise tolerance tests).
I am wanting to acquire a few more skills around managing emergencies and to be able maybe to work in a rural hospital environment again as a locum, e.g. overseas. This is why I have done this step back from my GP work.
I am a registrar, or RMO, for rural hospital medicine. I don't know how much this tells you. A registrar is a doctor after graduation and heading for a certain speciality status – usually after the first two years of work as an SHO, I believe. The SHO, “senior house officer”, comes lowest in the hierarchy, then the RMO, and then the consultant (the specialist).
I am supposed to do a mix of work in the emergengy department, on the ward, in theatre, and performing ETT (exercise tolerance tests).
I am wanting to acquire a few more skills around managing emergencies and to be able maybe to work in a rural hospital environment again as a locum, e.g. overseas. This is why I have done this step back from my GP work.
I have largely recovered from my ankle
injury now, working half days for the first two weeks and then full
time. Until now, in my first week, I have only worked on the
rehabilitation ward, with patients recovering from fractures and
strokes under physiotherapy and occupational therapy.
It feels like a plunge into cold water
without being able to swim properly. Everyone is nice but busy with
their own stuff and rarely someone explains me anything in a
systematic way. I have to figure out most things on my own, expected
to continue the work of my predecessor who left just before I came.
What I have to do I mostly learn by reading in the patient charts,
observing the consultant when she does her ward round twice weekly
and asking the SHO on ward (who is also quite new).
The other day I dropped something
during the ward round, a chart or so, and she said with a smile: “you
are fired”. I laughed and responded “I thought so” because that
is just what went through my head....
Im Krankenhaus
“Schreib doch mal was über das
neuseeländische Gesundheitssystem” ermunterte mich Jenny Menzel,
die Lektorin von 360° Neuseeland, wissend dass das ja mein Metier
sein müsste, als in Neuseeland arbeitender Allgemeinarzt. Ich
schreibe jedoch immer lieber über meine persönlichen Eindrücke als
objektive Recherchen anzustellen.
Nun hat es sich also ergeben dass ich
selbst, durch einen Unfall, Patient geworden bin. Das ist, wie ich
meine die beste Perspektive überhaupt um ein “Gesundheitssystem”
zu beschreiben. Dabei muss ich einschränkend sagen dass es in
Neuseeland einen hervorragenden Schutz für Unfallopfer gibt, den
ACC, eine staatliche Unfallversicherung, die auch Touristen
versichert - auch ohne dass diese dafür Beiträge zahlen müssen
wohlgemerkt. Die Leistungen sind in etwa unserer
Berufsgenossenschaft-lichen Unfallversicherung vergleichbar, mit dem
Unterschied dass beim ACC auch Opfer privater Unfälle und sogar
Gewalttaten versichert sind.
Die Aussicht hier vom Fensterplatz im
7. Stock des Waikato Krankenhauses in Hamilton ist fantastisch. Mein
Blick streift über den Lake Rotoroa mit seinen seerosenbewachsenen
Ufern Richtung Osten über die Ebene die die Stadt umgibt, Hausdächer
zwischen den Bäumen; im Hintergrund zeichnet sich bläulich eine
niedrige Bergkette ab. Durch das offene Fenster höre ich
Vogelgezwitscher und Verkehrsgeräusche und ich sehe Tauben am
gegenüberliegenden Trakt auf- und abfliegen. Ab etwa sechs Uhr
abends beginnt sich der See mit Segelbooten zu füllen, die bis etwa
halb acht wieder verschwinden, wenn die Stadt in ein orangefarbenes
Abendlicht getaucht wird. Es ist Sommer in Neuseeland.
Nicht der schlechteste Ort also, um die
bekannte neuseeländische Aufmerksamkeit und Fürsorge “hautnah”
zu erfahren.
Angefangen hat alles vor gut einer
Woche auf dem geschäftigen samstäglichen Wochenmarkt in Thames. Als
wir uns gerade auf den Weg nach Hause machen wollten, wurde ich von
einem rückwärts fahrenden Wagen angefahren und zu Boden geworfen.
Ich saß auf der Straße und versuchte zu rekonstruieren was
geschehen war. Die Schmerzen kamen erst später. Fassungslos starre
ich auf meinen Knöchel, über dem ein großes Loch klafft. Der linke
Unterarm schmerzt als erstes, sah aber normal aus. Ich kann nicht
aufstehen.
Eine Frau mittleren Alters beugt sich
über mich und sagt eindringlich und freundlich Dinge wie etwa:
“Bleib ruhig, es ist alles OK. Schau da nicht hin. Willst du
liegen? Hast du Schmerzen?” Ich höre auch andere Stimmen: “Ich
hole einen Stuhl” - “ Der Krankenwagen kommt jeden Moment” -
“Was macht dein Kopf?” Auch Fragen, um mein Bewußtsein zu
prüfen. Die Art der Fürsorge beeindruckt mich sogar durch meinen
Schockzustand hindurch, und ich fühle mich nicht verloren, auch wenn
ich wie gelähmt bin. Als der Krankenwagen kam, stellen sich die
Sanitäter vor und helfen mir vorsichtig in den Wagen. Immer wieder:
Are you alright? Are you in pain?
Den Transport zum lokalen Krankenhaus
in Thames erlebe ich wie im Traum: Übergabe zum lokalen Personal
während die Trage geschoben wird. Ich höre nur Satzfetzen. Nein,
nicht in den Wartesaal, ich werde gleich dem Arzt vorgestellt, einem
Unfallchirurg aus dem Irak, wie ich im Verlauf erfahre. Er versorgt
mich routiniert. Ich fühle mich in besten Händen, was auch an der
Aufmerksamkeit der einfühlsamen Krankenschwestern liegt. Immer
wieder schauen sie nach mir und meiner Frau, die mich begleitet hat.
Immer wieder ein kleiner menschlicher Chat wie: wo seid ihr her,
macht ihr hier Urlaub, und man darf gerne zurückfragen. Muhammad der
Chirurg erzählt mir dass er das meiste seiner Erfahrung mit
Verletzungen im Irak gelernt habe, und dass man sehr flexibel müsse,
jede Verletzung sei anders. Er berichtete von Erfahrungen mit einem
deutschen Kollegen: “Der arbeitet wie eine Maschine wenn es um
Gelenkersatz geht, aber Verletzungen passen für ihn in kein Schema
und er braucht dann ewig”. Aha, denke ich, gut dass wenigstens
dieser Chirurg wohl weiss was er tut.
Man muss sagen dass die Ärzte sicher
eine der internationalsten Berufsgruppen hier sind: sie sind zu mehr
als 30% in Übersee ausgebildet, sie kommen aus dem “Nahen Osten”,
aus England, aus Südafrika, Australien, oder aus Deutschland oder
der Schweiz. Hier ausgebildete Ärzte wandern dabei zu ebenfalls
einem Drittel auf längere Zeit oder auf Dauer ins Ausland ab. Maori
schreiben sich nur wenige in das Studium ein; unter den
Medizinstudenten sind sehr viele Asiaten aus verschiedenen Ländern.
“Geh nach zwei Tagen zum Hausarzt,
dann wird sich entscheiden ob du ein Hauttransplanat brauchst oder
nicht” sagt Muhammad, nachdem er nach einer gekonnt gesetzten
Betäubung meinen Knöchel versorgt hat. “In zwei Tagen ist ein
Feiertag” entgegne ich zögernd. “Siehst du, das ist es was ich
meine!” ruft daraufhin der Iraker, “Ihr Deutschen seid immer so
übergenau! Wenn ich zwei Tage sage kann ich auch drei meinen.”
Nach einer Weile beginnen mich die
Schwestern zu fragen auf was ich noch warte: - ach so, sind Sie noch
nicht geröngt? Moment ich hake mal nach... die angekündigte
Röntgenaufnahme war in Vergessenheit geraten nachdem die
Röntgenassistentin in der Mittagspause war. Auch so kann sich also
eine entspannte (“laid back”) Lebenseinstellung äußern....
Später am Tag klingelt das Telefon
zuhause: “Hallo ich bin Rob vom Victim Support (Opferhilfe). Ich
rufe einfach an um zu fragen wie es Ihnen geht.” Nach dem Gespräch
denke ich: sollte der Verursacher nicht auch einen Anruf bekommen?
Der muss sich jetzt doch auch schrecklich fühlen...
Später (nach gut einer Woche) ruft
auch noch die Polizei an und erkundigt sich nach meinem Befinden:
“Wie geht es Ihnen inzwischen? Wir fragen weil wir noch nicht
festgelegt haben mit welchem Bußgeld wir den Mann belegen wollen.
Was denken Sie? Wenn Sie möchten, warten wir noch und rufen Sie in
ein paar Wochen nochmal an.”
Nach (echten) zwei Tagen machte mich
dann ein ungutes Gefühl unter dem Verband unruhig und ich entschied
mich für einen weiteren Besuch auf der Notfallambulanz, am Feiertag.
Dort wurde ich dem hausärztlichen
Notdienst zugeteilt: der Kollege, ein gebürtiger Kiwi diesmal,
entschied sich für einen Anruf im nächstgrößeren Krankenhaus,
Hamilton, um mich dort vorzustellen. Die Krankenschwester fand es
höchste Zeit dass ich komme und kommentierte die Leistungen des
Irakers mit zweifelndem Schweigen, was ich in zunehmender Kenntnis
der neuseeländischen Mentalität als Missbilligung interpretieren
musste. Wieder fühlte ich mich wirklich gut aufgehoben, beide
“Health Professionals” nahmen ihre Berufung offenbar sehr ernst.
Da ich offensichtlich keinen
Krankenwagen brauchte, fuhr mich meine wunderbare Frau nach Hamilton
(wenn man keine wunderbare Frau hat, gibt es auch soziale Fahrdienste
in solchen Fällen). Dort wurde ich wieder sehr schnell gesehen,
keine Wartezeit am Anfang (was mich überraschte). Man wies uns
freundlich einen Platz in einer Behandlungsbucht zu. Es war
inzwischen Abend, und der freundliche (diesmal chinesische) Chirurg
beurteilte die Wunde und klärte mich über die Perspektive auf. Das
Beste wäre ein Hauttransplantat, außer wenn der Knochen beschädigt
wäre, dann müßte man eine kompliziertere Deckung vornehmen. Er saß
bei uns und ich hatte kein Gefühl von Hast oder Eile. Meine
ängstlichen Nachfragen beruhigte er: er wisse was er tue und seine
Statistiken seien ausgezeichnet. Heute hätte er noch andere zu
operieren aber morgen käme ich bestimmt dran (es dauerte dann noch
drei Tage).
Im Laufe der nächsten zwei Stunden
wurde ich unzählige Male über meine Geschichte gefragt, ob ich
Allergien habe, woher ich (ursprünglich) sei, und nacheinander
verschiedenen Stationen zugeteilt, vom Einzelzimmer in's
Mehrbettzimmer geschoben. Immer wieder ein kleiner netter Chat.
Irgendeine Schwester trieb ein Sandwich für mich auf, und ich durfte
später sogar noch ein richtiges Nachtessen bekommen. Dann sollte ich
fasten. Über meinem Kopfende prangte ein Schild ”Nil Per Mouth”,
nichts durch den Mund, und auf der Zimmertür ein anderes “Why nil
per mouth?” mit Erklärungen, dass man sonst bei der OP sterben
könne. Ein zweites Schild über meinem Bett lautete bald “High
falls risk”, hohes Sturzrisiko. Eine Schwester hatte es angebracht
nachdem sie mich beim Toilettengang über sicheren Gang mit Krücken
belehren musste.
Mein rechter Bettnachbar war ein etwa
30jähriger gemütlicher Maori, mit dem sehr einfach auszukommen war
und der alles von der humorvollen Seite sah. Mundbodenabszeß. Ihm
gegenüber ein älterer, ehrwürdiger älterer Gentleman, der ein
englisches Flair verströmte. Hauttransplantat nach Hautkrebs (leider
sehr häufig hier). Schräg gegenüber ein standig witzelnder
Mittzwanziger, dessen Kiefer von wildfremden Streithähnen
zertrümmert worden war, die mitten in der Nacht sein Grundstück als
Austragungsort für ihre Streitigkeiten gewählt hatten.
Schließlich, nach drei Tagen, war es soweit (ich war
insgeheim froh über die Verzögerung weil ich zwischendurch wieder
essen durfte und außerdem Angst vor der Narkose hatte). Der Mann der
mich zur “Schlachtbank” schieben sollte, stand plötzlich vor
meinem Bett. Der allgegenwärtige Small-Talk half mich zu beruhigen,
als er mich durch die Gänge schob. Auch er war ein Immigrant, ich
glaube aus Israel. Nach einer halben Ewigkeit (so schien es mir)
erreichten wir einen extrem modern wirkenden Trakt, wo er mich in
einer mit Vorhängen abgetrennten Bucht abstellte. Alles schien neu
oder kürzlich renoviert zu sein, im Kontrast zu den eher altbacken
wirkenden Krankenzimmern. Nach einer Weile kam der Anaesthesist mit
zwei OP-Schwestern. Lächelnd sprach er mich auf deutsch an; es
stellte sich heraus dass er Österreicher war (seit zwei Jahren
hier). Er entschuldigte sich bei den OP-Schwestern (vermutlich eine
Philippinin und eine Pakeha Kiwi), die freundlich dazu lächelten (im
Allgemeinen sollte man in Anwesenheit von Neuseeländern die
Landessprache zu sprechen, alles andere gilt als unhöflich). Ich bin
mir natürlich auch bewusst dass viele deutsche Reisende gerade NICHT
auf deutsch angesprochen werden wollen – aber für mich hatte es in
diesem Moment etwas Tröstliches. Wieder die Fragen: “Wie ist denn
das passiert? Sind Sie gegen irgendetwas allergisch? Nein? Die
Krankenschwestern werden Sie das alles noch einmal fragen, aber das
ist hier halt so...”.
Dann: “Wenn Ihnen jetzt etwas
schwindlig wird, ist das ganz normal, das ist das Medikament.”
Ein paar Stunden später war ich zurück
in unserem Zimmer. Ich wollte eigentlich die Zeit nutzen um mich auf
einen Fortbildungskurs vorzubereiten den ich gebucht hatte. In der
Weise schien mir der Unfall ein Gewinn. Nur kam ich kaum dazu. Zwar
lief der Fernseher (auch auf meinen Wunsch hin) nur begrenzte Zeit
über den Tag, aber vor allem gab es immer irgendwelchen
Gesprächsstoff im Zimmer, ob mit den anderen Patienten oder sogar
deren Angehörigen. Es war eine freundliche, helle Grundstimmung, die
zu der herrlichen Aussicht passte – und das obwohl meine
Zimmergenossen zeitweise kaum verschiedener sein konnten. Abwechslung
brachten auch die nette, umgängliche Ergotherapeutin, und die
Physiotherapeutin mit dem extrem englischen Akzent, der sich auch
nach acht Jahren in Neuseeland noch nicht abgeschwächt hatte. Als
der junge Maori entlassen wurde, fragte mich die diensthabende
Krankenschwester ob ich nicht noch näher am Fenster liegen wolle.
Ein Krankenhaus-Paradies? Na ja, es gab auch so ein paar Sachen die
mir auf andere Weise landestypisch schienen: die Anzahl der sich
widersprechenden Empfehlungen zur Behandlung und Nachsorge (die sich
nach der Entlassung fortsetzten), jede mit Überzeugung vorgetragen,
kontrastieren hier mit den Bestrebungen am liebsten alles zu
standardisieren und egalisieren im ernsten Bemühen um die Sicherheit
des Patienten unabhängig seiner Herkunft und Rasse. Das ist, für
mich, einer der anscheinenden Widersprüche der neuseeländischen
Seele.
Die verschiedenen Ärzte die, manchmal
mehrmals am Tag, zur Visite kamen sagten mir abwechselnd ich könne
nachhause gehen und ich sollte noch mindestens fünf Tage bleiben.
Ich entschied mich für die zweite Meinung, was dann auch völlig
okay war. Es gab auch in anderen Belangen sehr unterschiedliche
Handhabungen, zum Beispiel was Medikamente, Kompressionsstrümpfe und
Pflege betraf – wiederum je nach Schicht. Auch bezüglich der
Wundpflege nach der Entlassung ist mir eine verwirrende Vielfalt von
Anweisungen aufgefallen.
Das Essen war sehr klassisch
neuseeländisch bzw. englisch. Der Maori neben mir bekam denn auch ein Extra-Essen von seiner
Frau gebracht.
Am Tag der Entlassung schliesslich
sollte ich, bis mich meine liebe Frau abholen kommen konnte, in der
sogenannten Transit Lounge warten, an deren Eingang ich formal
ausgecheckt wurde. Kaum hatte der Krankenhausangestellte mich in
meinem Rollstuhl in dem etwa mit 20 anderen Wartenden besetzten Raum
abgestellt, löste sich eine ältere Frau aus der kleinen
Kuechenzeile im Raum und sprach mich freundlich an. “Haben Sie
schon etwas zu Mittag gegessen?” Ich verneinte. “Was kann ich
Ihnen denn anbieten? Wir haben Sandwiches, Äpfel und Banane, und
möchten Sie vielleicht ein Eis mit Wackelpudding? Ich war hungrig,
da ich zuletzt gefrühstückt hatte, und ich gebe zu, ich nahm
mehreres aus der Auswahl, und einen Tee. Und jetzt kommt's: sie
brachte mir den Apfel frisch geschält in mundgerechte Stücke
geschnitten. Ich war baff.
Zum Abschluss meines Hamilton
Aufenthalts schob mich meine Frau noch durch die Hamilton Gardens (im
dort vorgehaltenen Rollstuhl), was den Tag noch richtig rund machte.
Wieder zuhause, ließ ich mich noch von
den Bezirkskrankenschwestern weiterbetreuen und anleiten, sie kamen
sogar zu mir nach Hause soweit das ging (es ist auch typisch dass ich
manchmal freundlich gefragt wurde ob ich ausnahmsweise selber kommen
könne – Flexibilität ist auch so ein Merkmal der Kiwis). Ich
bekam Termine bei der Krankengymnastik und zur Nachschau beim
plastischen Chirurgen.
ACC übernimmt außerdem den Lohnersatz
(80% des letzten Gehalts).
Eigentlich die einzige für mich
unschöne Erfahrung machte ich als ich mich auf eigene Initiative,
und nicht als Notfall, beim Emergency Department vorstellte, um eine
gerade wiederholte Röntgenaufnahme zu besprechen: der Wartesaal war
zwar leer, jedoch warnte ein Schild gleich: Wartezeit für nicht
dringende Patienten: etwa zwei Stunden. Was dann auch fast hinkam.
Nach etwa einer Stunde kam ein anderer Patient, der nach etwa zehn
Minuten hereingebeten wurde. Ich wartete weiter. Nach weiteren 40
Minuten kam Muhammad, der irakische Arzt, und bat mich herein. So
sind sie dann auch wieder, die Kiwis... man sollte die Initiative
lieber ihnen überlassen wenn es geht.
Die Goldenen Prinzipien der Kiwi-Gesellschaft
Wer sich in Neuseeland reibungslos
integrieren will, sollte nicht nur ein paar Grundzüge der
Kiwi-Mentalität verstehen, sondern auch ein paar prinzipielle
Verhaltensregeln kennen. Ich bin immer noch von der ermutigenden
Freundlichkeit beeindruckt, für die die Neuseeländer bekannt sind.
Allerdings darf das nicht darüber hinwegtäuschen dass die
Neuseeländer „normale“ Menschen sind und ihre Gesellschaft wie
die unsere nach bestimmten Regeln funktioniert.
Freundlichkeit ist
hier etwas ganz Elementares und ein Grundpfeiler des
neuseeländischen Miteinanders. Sie bringt Wärme und Sonnenschein
ins Leben. Es ist für den typischen Deutschen wie mich einfach
beeindruckend wie willkommen man sich hier fühlt, von Anfang an.
Jeder hat Zeit, es gibt keine Hetze, immer aufmerksame Blicke,
unerwartete Hilfsangebote. Ob man irgendwie verloren aussieht, oder
gezielt nach Hilfe fragt, man fühlt sich nie allein gelassen.
Und rempelt man im Supermarkt einen
anderen Kunden an, wird dieser dafür sich meist sofort mit einem
„sorry“ entschuldigen.
Die andere Seite ist natürlich, dass
solche Freundlichkeit vermutlich auf Dauer auch von einem selbst
erwartet wird. Unfreundlichkeit, oder anders ausgedrückt, das Zeigen
von Ärger ist für die meisten Einheimischen ein Ausnahmezustand,
ein Scheitern der Begegnung.
Ein Neuseeländer wird immer bemüht
sein dass man sich in seiner Gesellschaft einfach wohlfühlt, dass es
einem an Nichts fehlt. Andererseits wird er gerne Themen vermeiden,
die „unnötig“ Schwere in den Moment der Begegnung bringen. Ganz
im Gegensatz zum Deutschen wird er dazu tendieren, vorwiegend
positive Äußerungen zu machen: zum Beispiel wird er die
Konversation gern eröffnen mit einer Bemerkung wie: „Isn't it a
beautiful day today?“ statt „was eine Affenhitze schon wieder
heute“ (bei identischen Wetterverhältnissen wohlgemerkt!). Bei uns
gilt aus bestimmten Gründen die negative Bemerkung als
konversationell sicherer. Hier würde dieselbe deutliche
Verunsicherung hervorrufen, im Idealfall auch mitfühlende
Anteilnahme (es wäre ein Signal dass es dir aus irgendeinem Grund
nicht gut geht und du Hilfe brauchst). Ebenso wichtig ist es, die
Konversation mit einer positiven Formel zu beenden: „Thanks“,
„See you“, „Cheers“, oder „Good one“ sind Beispiele.
Ermutigung und Lob holen
dabei das Beste aus dem Menschen heraus, fördert seine Stärken und
macht sie der Gesellschaft verfügbar. Bescheidenheit ist
die überraschende Antwort. Vielleicht
ist das eines der Geheimnisse dieser Gesellschaft?
Komisch dass uns
das in Deutschland so schwer fällt, ja geradezu verdächtig
erscheint: „net geschumpfe is gnueg globt“ sagt man im
Schwabenland, wo ich zuletzt gewohnt habe. Was kann denn passieren
wenn wir zu viel loben? Gibt es das, zu viel? Hier ist das jedenfalls
kein Problem. Und es verleitet auch niemanden dazu eingebildet zu
werden. Lob ist hier allgegenwärtig, Eigenlob oder Angeberei
hingegen fehlen, weil sie verpönt sind. Ist Eigenlob bei uns
vielleicht deshalb OK weil es so wenig Lob gibt?
Wie sehr den
Neuseeländern jede Arroganz suspekt ist, lässt sich auch schön am
sogenannten „Tall-Poppy-Syndrom“ ablesen, dem Syndrom der zu
großen Mohnblume in Feld, die gleich abgepflückt wird. Jemand, der
sich selbst für etwas Besseres hält und das zur Schau stellen muss,
bekommt hier eher die kalte Schulter gezeigt. Die logische Folge ist,
dass Hierarchien hier wesentlich flacher gelebt werden. Eine
übergeordnete Stellung im Betrieb oder ein Vorsprung in Wissen oder
Können wird nie zur Schau gestellt, jeder ist gleichwertiges Glied
der Gesellschaft. Klingt etwas wie Utopie, ist aber täglich
erfahrbar. Es fühlt sich nicht so viel anders an, ob ich in unserer
Organisation mit der Reinemachefrau oder mit dem CEO (leitender
Manager) spreche. Dazu passt, dass der Nachnahme hier sehr selten
verwendet wird; selbst der CEO wird von allen im Betrieb mit dem
Vornamen angesprochen und tut das umgekehrt. Klassenunterschiede sind
zwar vorhanden, werden aber im direkten Umgang möglichst nicht
spürbar gemacht.
Gleichzeitig wird
erwartet, dass ich mich wirklich als Teil des Teams fühle und
einbringe – sich nicht als Teil des Teams zu verhalten ist denn
auch eine der schlimmsten Kritiken die man (meist nicht direkt) hören
kann.
Ich habe lernen
müssen, möglichst nie einen Satz mit „In Deutschland machen wir
das so:“ anzufangen, und meine Söhne haben gelernt alles zu
vermeiden und zu verstecken was Neid erregen könnte. Nach dem
kürzlichen Besuch einer Theateraufführung in der Highschool meiner
Kinder sagte eine Mutter zu uns: „das schöne an diesem Stück ist,
dass hier niemand eine Starrolle hat“ - was die Haltung der
Neuseeländer sehr gut widerspiegelt.
Es gibt
Veranstaltungen, die vom Lob „leben“, z.B.
Schulabschlussveranstaltungen, bei denen zwei Stunden lang im
Wesentlichen nur Schüler auf die Bühne gebeten und ausgezeichnet
werden. Der feine Unterschied ist, dass es dabei im Kern um
Leistungen für eine Gesellschaft (des Volkes, der Schule) geht.
Respekt wird dabei
auch dem Unvollkommenen entgegengebracht, der auch Teil der
Gesellschaft ist und sich mit eben seinen individuellen Möglichkeiten
und Eigenschaften einbringt.
Mitmachen ist
also wichtig, wobei es hier weniger um bloßes „Teilnehmen“
als um „sich Einbringen“
geht. Das kann soweit gehen, dass die bei uns gewohnte Trennung von
Veranstalter und Gast oft verschwimmt. Der oft gesagte und gehörte
Satz „bring a plate“ ist Ausdruck dieser Haltung und Praxis, dass
jeder zum Gelingen des Festes beiträgt. Es ist durchaus nicht
unüblich, dass selbst bei einer Geburtstagsfeier die Gäste Essen
beisteuern. Als ich demletzt zu meinem 50igsten Geburtstag Kollegen
in ein Restaurant einlud, wollten diese ihre Rechnung zunächst jeder
selber bezahlen. Im Extremfall kann das Helfen sogar die Hauptsache
werden: sehr viele schöne gesellschaftliche Veranstaltungen sind bei
näherem Hinsehen sogenannte „Fundraiser“, also
Benefiz-Veranstaltungen für die unterschiedlichsten Belange: z.B.
eine Schule, oder einfach für ein krankes Kind oder einen
überfallenen Nachbarn.
Eine weitere
Variante ist die sogenannte „Working Bee“, eine Hilfs-
Renovierungs- oder Aufräum-Veranstaltung bei der die Hilfe zur
Hauptsache wird und die Sozialisierung und Verpflegung zur
Nebensache.
Auch kann man
beobachten (und besser nicht nur beobachten) dass nach einer Party
oder sonstigen Einladung die Gäste helfen, die ursprüngliche
Ordnung wieder herzustellen und sich erst danach verabschieden, wenn
sie nicht schon beim Aufbauen geholfen haben.
Kontakte knüpfen geht schnell
und die Begegnungen sind leicht und unkompliziert. Die Begegnung ist
auf das Hier und Jetzt ausgerichtet: genieße und nimm etwas Abstand
vom schweren deutschen Freundschaftsbegriff. Dein Gegenüber wird dir
oft gerne alle erdenkliche Hilfe anbieten, sich allerdings später
nicht so sklavisch an sein Angebot gebunden fühlen wie das in
Deutschland vielleicht der Fall wäre. Da kann es schon mal zu einer
Enttäuschung kommen, denn ein die meisten Kiwis geben gerne ein
Versprechen und werden dann manchmal vom Alltag eingeholt. Auf der
anderen Seite erlebt man es kaum dass man mit einem Anliegen
„abgewimmelt“ wird. Es wird sichergestellt, dass du zumindestens
einen guten Tipp bekommst der dir weiterhilft.
Ich fasse zusammen: wenn du es hier
leicht haben und auf Dauer glücklich werden wirst, werde auch ein
bisschen Kiwi.
Ein Nachsatz: Man
fragt sich welchen Stellenwert Kritik in
dieser wertschätzenden Atmosphäre hat.
Zunächst einmal
ist die Toleranz gegenüber dem (noch) Unvollkommenen wesentlich
größer als wir Deutschen es gewohnt sind. Man gibt vor allem den
Dingen mehr Zeit sich zu entwickeln. Pflanzen wachsen ja bekanntlich
nicht schneller wenn man an ihnen zieht. Zu ungeduldige oder
konfrontative Vorgehensweisen landen im sogenannten „too
hard-bucket“, dem „zu hart-Eimer“. Man trifft dann auf Stille
oder höfliche Zustimmung, die aber zu nichts führt. Man lernt, dass
in der Botschaft keine Kränkung oder Überforderung enthalten sein
sollte und Wille zur Zusammenarbeit sichtbar wird.
In
einer sich kümmernden, konstruktiven Kritik (die ja das Gegenteil
von Mobbing darstellt), wird hier gerne die sogenannte
„Sandwich-Technik“ angewandt: Einleitung mit einem Lob oder einer
feinfühligen Frage, erst danach eine höfliche und konstruktive
Kritik, dann ein abschließendes
Lob.
Ansonsten sollte
man lernen auch zwischen den Zeilen zu lesen. „Ausrutscher“ gibt
es hier selten.
Da dieses Land in vielen Belangen
vorbildlich funktioniert habe ich mich fragen müssen ob harte
Konfrontation und Ausdiskutieren der einzige Weg sind um gemeinsam zu
Lösungen zu finden. Mit der Zeit habe ich auch immer mehr bewundern
gelernt, wie kreativ die Menschen hier letztendlich im Lösen von
Problemen sind.
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